Ehe für alle: Wie weiter nach dem Ja?

Was sich in der Kirche aber klar verändert hat, ist die Stimmung. Es gibt jetzt Lager und Fronten. Es gibt rund 200 hüben, und es gibt rund 450 drüben. Es gibt viele, die zur Frage der Ehe für alle eine klare Position haben, ohne dass sie eines der Dokumente unterschrieben haben. Vielleicht gibt es auch noch ein paar Kolleginnen und Kollegen, die noch abwägen und sich nicht klar positionieren können.

Wenn die Diskussionen im gleichen Stil weiterlaufen, wie in den letzten paar Wochen, wird das nur zur Verhärtung der Fronten führen. Es besteht das Risiko, dass es in den verschiedenen Kantonalkirchen zu lauter Zweiten Kappeler Kriegen kommt mit desaströsen Folgen für die Kirche. ICH WILL DAS NICHT! Und ich glaube noch daran, dass es bessere Wege gibt. Ich hoffe noch auf eine Milchsuppe. Und hier ist das Rezept dazu, soweit mein heutiger Stand des Irrtums das überblicken kann.

Was es für die weitere Diskussion NICHT braucht:

Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig von der Richtigkeit der eigenen Position und der Verkehrtheit der anderen Position überzeugen wollen. Ich bin für die Öffnung der Ehe für alle, und niemand wird mich umstimmen können. Die Argumente hüben und drüben liegen auf dem Tisch. Wesentlich neue wird es nicht geben.

Ja, ich habe auch ausgeteilt. Ich gehöre zu den 450 von drüben, die das Dokument «Die Liebe hat den langen Atem» mitunterzeichnet haben. Ich verantworte also diese Erklärung mit, die sich formal an die Barmer Erklärung anlehnt, die so einen status confessionis heraufbeschwört, der weit weg von angebracht ist, und der mit den «Wir verwerfen…»-Formulierungen viel zur Verhärtung der Frontstellung und wenig zu einem echten Dialog beiträgt. Ich habe nicht wegen, sondern trotz dieser Eigenschaften des Dokuments unterschrieben. Weil ich das Anliegen teile, weil ich der Überzeugung bin, dass die Liebe das leitende Prinzip für unser kirchliches und menschliches Handeln sein muss, und im Zweifelsfall die Liebe höher zu gewichten ist als der Buchstabe der Schrift. Und weil ich wollte, dass die Abgeordnetenversammlung Kenntnis davon erhält, dass es nicht nur die Unterzeichnenden des Dokuments «Habt ihr nicht gelesen…?» gibt. Darm musste es schnell gehen, darum meine Unterschrift.

In der Fortsetzung der Diskussion braucht es keine weiteren Unterschriftensammlungen mehr. Es braucht keine neuen Papiere, die altbekannte Positionen markieren und zementieren. Wir müssen jetzt einen nächsten Schritt gehen.

Worüber wir reden müssen

Was es jetzt braucht, ist ein Gespräch über die Frage:

Wie können wir weiterhin gemeinsam Kirche sein?

Ist es möglich, dass eine Pfarrerin ein schwules Paar traut, dass dies ihrem Kollegen in der Nachbargemeinde (oder gar in derselben Gemeinde) ein Gräuel ist, und dass dennoch beide in gegenseitigem Respekt ihren Dienst in der Kirche tun? Ohne, dass sie sich gegenseitig das Christsein absprechen, oder die Treue zur Heiligen Schrift? Oder die Begabtheit mit Vernunft? Wie viel Differenz verträgt es bei der Grundeinstellung zur Bibel? Wie viel gemeinsamer Boden ist unerlässlich, um in aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit gemeinsam das Evangelium Jesu Christi verkünden zu können?

Ich meine, es braucht vielleicht nicht zwingend eine breite inhaltliche Einigung. Was es aber braucht, ist eine Gesprächsgrundlage und eine Gesprächskultur. Es gibt Streit, ja. Und es soll gestritten werden können. Aber so, dass wir uns dabei ansehen. So, dass wir einander zuhören. So, dass wir versuchen zu verstehen, warum die andere so denkt, wie sie denkt, und nicht so, wie ich.

Ich weiss nicht, ob so etwas gelingen kann. Ich merke bei mir selbst, wie schwierig es ist. Ich bin nämlich ziemlich überzeugt davon, dass ich die Dinge richtig sehe. Es fällt mir schwer, gewisse Positionen über die Autorität der Bibel als irrtumsfreies Wort Gottes nachzuvollziehen. Weil ich beim Lesen der Bibel zu viele Unklarheiten und Widersprüche und ja, auch Irrtümer sehe. Und es wird niemandem gelingen, mich von einer anderen Sichtweise zu überzeugen. Ich muss mich wirklich fragen, wie ich damit klarkomme, dass es etliche Kolleginnen und Kollegen gibt, die eine völlig andere Grundeinstellung zur Bibel haben.
Und jene anderen müssen sich fragen, wie sie mit mir umgehen können oder wollen. Könnt ihr, die ihr die Bibel für das Irrtumsfreie Wort Gottes und darum oberste Autorität anseht, damit umgehen, dass ich das anders sehe und dennoch überzeugter Christ bin, und leidenschaftlicher Pfarrer, der die Bibel liebt und Gott liebt und zumindest ehrlich bemüht ist, auch die Menschen zu lieben?

Denn da wäre meine Grenze: Ich könnte schlecht mit Kolleginnen und Kollegen in derselben Kirche denselben Dienst tun, wenn jene mir die Legitimation für diesen Dienst insgeheim oder offen absprechen, mich nicht als Bruder im Glauben sehen.

Darüber müssen wir reden. Wir müssen uns zusammenraufen und uns finden und uns einigen, dass wir gemeinsam Kirche sind und sein wollen.

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